Lebendspende: Welche Vorbereitung ist nötig?
Hat ein nieren- oder leberkranker Patient einen oder mehrere nahestehende Menschen, die zu einer Organspende bereit sind, beginnen umfassende Gespräche und Untersuchungen zur Aufklärung und Vorbereitung. Bei einer Lebendspende steht immer der Schutz des Spenders im Vordergrund. Mithilfe medizinischer Untersuchungen überprüft das Transplantationszentrum zunächst, ob die Lebendspende medizinisch vertretbar ist und ob das Spenderorgan zum Empfänger passt. In weiteren Untersuchungen wird die Gesundheit des Spenders ausführlich geprüft. Zudem finden psychologische Gespräche statt, um die Motivation des Spenders und die ethische Vertretbarkeit der Spende zu prüfen. Schließlich urteilt die Lebendspendekommission darüber, ob die Organspende zulässig ist.
Erste Termine im Transplantationszentrum: Ist die Lebendspende überhaupt möglich?
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Zur ersten Überprüfung des Gesundheitszustands des Spenders sowie der medizinischen Möglichkeit der Transplantation des Spenderorgans finden im Transplantationszentrum ein bis mehrere Termine statt. Der organisatorische Ablauf unterscheidet sich je nach Transplantationszentrum.
Oft erfolgen in einem ersten, ambulanten Termin eine Aufklärung über den Eingriff bei der Organspende, eine psychologische Einschätzung sowie Blutentnahmen und eventuell weitere Untersuchungen.
Aufklärungsgespräch: In diesem informiert ein Arzt Spender und Empfänger umfassend über den Eingriff – unter anderem über die durchzuführenden Untersuchungen im Rahmen der Transplantationsvorbereitung, die Risiken des Eingriffs, Maßnahmen zum Schutz des Spenders sowie die zu erwartende Erfolgsaussicht der Transplantation.
Medizinische Untersuchungen: Hierbei stellen die Ärzte zunächst über eine Untersuchung des Blutes von Spender und Empfänger fest, ob:
- die Blutgruppen des Spenders und des Empfängers zusammenpassen. Ist dies nicht der Fall, kann eventuell eine AB0-inkompatible Spende durchgeführt werden.
- die Gewebemerkmale (HLA-Antigene) von Spender und Empfänger zusammenpassen. Diese Untersuchung wird Kreuzprobe genannt und ist besonders bei Nierentransplantationen wichtig. Bei „positiver” Kreuzprobe sind im Blut des Empfängers Antikörper gegen das Gewebe des Spenders vorhanden.
- es Hinweise auf Erkrankungen wie Blutgerinnungsstörungen, Infektionen oder andere entzündlichen Vorgänge im Körper gibt.
Zusätzliche Untersuchungen: Bei einer Leber-Lebendspende ist es sehr wichtig, dass auch das Gewicht von Spender und Empfänger kompatibel ist, also in einem passenden Verhältnis steht. Das Körpergewicht lässt Rückschlüsse auf die Größe der Leber zu. Noch genauer ist die Ausmessung der Leber durch eine Computertomografie (CT-Volumetrie). Eine Lebertransplantation ist nur sinnvoll, wenn das transplantierte Leberstück von seiner Größe ausreicht, um die Stoffwechselfunktionen für den Körper des Empfängers zu übernehmen.
Erste psychologische Einschätzung: In einem Gespräch wird der Spender über seine Beziehung zum Empfänger sowie seine Motivation für die Organspende befragt. Außerdem wird beurteilt, ob er sich über das Ausmaß seines Handelns bewusst und der Situation gewachsen ist.
Weitere Termine zur Vorbereitung der Lebendspende
Sofern die ersten Gespräche und medizinischen Untersuchungen eine Lebendspende möglich erscheinen lassen, folgen weitere Untersuchungen. Diese finden entweder stationär im Krankenhaus (über mehrere Tage) oder als ambulante Termine statt.
Psychologische Gespräche
Im Rahmen der weiterführenden Untersuchungen zur Transplantationsvorbereitung erfolgt auch ein ausführliches Gespräch mit einem Psychologen. Das Gespräch wird jeweils einzeln mit dem Spender und dem Empfänger durchgeführt. Hierbei wird unter anderem darüber gesprochen, wie man den Eingriff und die verschiedenen möglichen Konsequenzen verarbeiten kann.
Der Hintergrund ist, dass eine Lebendspende von den unterschiedlichsten emotionalen Reaktionen begleitet sein kann. Diese können zu Konflikten zwischen den Paaren oder Problemen bei der individuellen Verarbeitung führen. Dazu gehören beispielsweise:
- Schuldgefühle beim Spender („Wenn ich nicht helfe, könnte mein Partner/Angehöriger versterben.”)
- Schuldgefühle beim Empfänger („Mein Partner/Angehöriger nimmt ein gesundheitliches Risiko auf sich.”)
- Abhängigkeitsgefühle
- Erwartung von Gegenleistungen, z. B. Dankbarkeit, vonseiten des Spenders
Schuldgefühle beim Spender, wenn das gespendete Organ nicht funktioniert
Es ist wichtig, über diese Dinge bereits im Vorfeld zu sprechen, damit Spender und Empfänger bewusst und mit einer positiven Einstellung die Operation sowie das „neue Leben” gemeinsam angehen können. Auch nach der Transplantation ist eine psychologische Begleitung sinnvoll.
Mithilfe bestimmter Fragebögen wird zudem überprüft, ob Spender oder Empfänger unter psychischen Problemen oder Persönlichkeitsstörungen leiden.
Weitere medizinische Untersuchungen als Vorbereitung auf die Lebendspende
Welche zusätzlichen Untersuchungen beim Spender vorgenommen werden, entscheidet das jeweilige Transplantationszentrum. Die Untersuchungen geben Information über
- den allgemeinen körperlichen Zustand des Spenders und sein Operationsrisiko (zum Beispiel Belastungs-EKG, Lungenfunktion, Röntgenaufnahme der Lunge, Gefäßultraschall bei älteren Spendern),
- den Zustand des zu transplantierenden Organs
(etwa Ultraschall, Magnetresonanztomografie, Computertomografie, gegebenenfalls Biopsie).
Beispielsweise wird vor einer Nieren-Lebendspende unter anderem eine Szintigrafie der Nieren durchgeführt, um die Nierenfunktion beziehungsweise Leistungsfähigkeit der beiden Nieren abschätzen zu können – die bessere Niere bleibt beim Spender.
Entscheidung und Aufklärung
Nach Abschluss aller medizinischen und psychologischen Untersuchungen entscheidet eine interdisziplinäre Transplantationskonferenz, der verschiedene Ärzte des Klinikums angehören, ob die Transplantation durchgeführt werden kann. Ist dies der Fall, werden Spender und Empfänger nochmals ausführlich über den Eingriff aufgeklärt und müssen schriftlich einwilligen. Dabei ist zusätzlich ein Arzt anwesend, der weder an der Entnahme noch an der Übertragung des Organs beteiligt sein darf.
Vorstellung bei der Lebendspendekommission
Im nächsten Schritt muss für die Vorbereitung der Lebendspende noch eine letzte Voraussetzung erfüllt sein: die Befragung durch die Lebendspendekommission. Diese ist im Transplantationsgesetz (TPG) vorgeschrieben und dient dem Schutz des Spenders. Mit der Befragung soll sichergestellt werden, dass die Spende wirklich freiwillig erfolgt undkein Organhandel vorliegt.
Ob nur der Spender befragt wird oder, getrennt voneinander, sowohl der Spender als auch der Empfänger, ist in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich geregelt.
Die Lebendspendekommission besteht laut Transplantationsgesetz aus mindestens drei Personen:
- Einem Arzt, der weder an der Entnahme noch an der Übertragung von Organen beteiligt ist, und auch nicht den Weisungen eines Arztes untersteht, der daran beteiligt ist.
- Einer Person mit der Befähigung zum Richteramt (Volljurist).
- Einer in psychologischen Fragen erfahrenen Person.
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Die organisatorischen Einzelheiten werden in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich gehandhabt. In der Regel beruft die zuständige Landesärztekammer die Lebendspendekommission ein, nachdem das Transplantationszentrum einen entsprechenden Antrag gestellt hat (mit Unterschrift des Spenders). Die Kommission tagt meist im Abstand mehrerer Wochen. Daher kann es sein, dass bis zum nächsten Termin einige Wochen vergehen. In medizinisch sehr dringenden Fällen wird die Kommission aber auch kurzfristig einberufen.
Quellen
Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben. https://www.gesetze-im-internet.de/tpg/__8.html (zuletzt besucht am 18.10.2024).
Walter J, Burdelski M, Bröring DC: Chancen und Risiken der Leber-Lebenspende-Transplantation. Dtsch Ärztebl 2008; 105(6): 101–7.
Kröncke S: Lebendspende von Organen (Vortrag). Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.