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Birgit F.

Jahrgang 1964

Diplomdokumentarin und Übersetzerin für Französisch, Englisch und Spanisch

Nierentransplantation 2019

Meine Botschaft

„Wenn man erfährt, dass man krank ist, sollte man die Krankheit annehmen, sie akzeptieren und nicht allzu viel darüber grübeln. Ich dachte mir immer: „Okay, das ist jetzt Fakt. Es geht weiter, aber es geht eben ein bisschen anders weiter.“ Und so nehme ich die Zukunft, wie sie kommt.“

Patientin Birgit lächelt in die Kamera
Novartis

Mein Erfahrungsbericht

Meine Krankenvorgeschichte

„Nach der Geburt unseres vierten Kindes im Jahr 2005, ging es mir nicht so gut. Schnell stellte sich bei meiner Hausärztin heraus, dass die Leistung meiner Nieren schlechter wurde. Nach einem Gespräch beim Nephrologen war abzusehen, dass ich wahrscheinlich irgendwann an die Dialyse müsste. Vier Jahre lang konnte ich durch viel trinken und proteinarmer Ernährung die Nierenfunktion noch am Laufen halten, aber die Kreatininwerte wurden mit der Zeit immer schlechter. Mein Nephrologe traute mir in einem Gespräch zu, die Entscheidung selbst zu treffen, wann ich den Weg ins Krankenhause antreten würde. Anfang Januar 2009 ging es mir dann so schlecht, dass ich entschied, mit meinem Mann ins Krankenhaus zu fahren.

Im Krankenhaus angekommen, hatte ich einen Kreatininwert von 8,3. Ich wurde sofort dortbehalten und bekam einen Notzugang am Hals. Daraufhin wurde mit der Dialyse begonnen. Jetzt war es also so weit. Ich war auf diesen Zeitpunkt vorbereitet und so war auch schon vorher mit meinem Nephrologen besprochen worden, dass ich mit der Bauchfelldialyse anfangen würde. In den drei Wochen im Krankenhaus wurde ich also für die Bauchfelldialyse operiert und habe danach gelernt, wie diese funktioniert und auf was ich in der Zukunft alles zu achten habe.

Ich bin kein Typ für eine Reha, daher bin ich nach dem Krankenhausaufenthalt direkt wieder nach Hause. Mit vier Kindern und einem Mann, der sehr viel arbeitet, wusste ich auch, dass die Kinder mich brauchen und wollte daher immer ganz schnell wieder nach Hause. Außerdem ich bin jemand, der Dinge gerne selbst verarbeitet, und ich spreche nicht gerne über meine Krankheit mit anderen. Auch mit meinen Freund:innen möchte ich nicht wirklich darüber reden. Das ist meine Baustelle. So möchte ich weder Mitleid noch Sprüche wie: „Ach, du Arme“ hören. Ich hatte selbst eine Mutter, die an Brustkrebs erkrankt war und in ihrer Einstellung genauso war wie ich. Immer wenn sie auf der Straße gefragt wurde, wie es ihr ginge, antwortete sie mit: „Danke, gut.“  Ich hatte eine Verantwortung meinen Kindern gegenüber, mich nicht hängenzulassen.

Ich habe mich sehr schnell mit der Bauchfelldialyse arrangiert. Der logistische Aufwand war enorm, weil man die Kartons mit den Dialysebeuteln nach Hause geliefert bekommt. Wir wohnen im vierten Stock unter dem Dach ohne Aufzug. Das heißt, dass ich alle zwei Wochen beliefert wurde. Aber sowohl der LKW-Fahrer als auch meine Kinder haben immer geholfen, die Kartons zu schleppen und in meiner Ecke zu stapeln.

Viermal am Tag musste der Dialysebeutel gewechselt werden. Das wurde dann bestmöglich ins Tagesprogramm eingegliedert. Dabei habe ich auch nie aufgehört zu arbeiten. Mit meinem Arbeitgeber, der ein guter Freund von mir ist, habe ich abgesprochen, dass ich dafür in einen Nebenraum gehen konnte. So hatte ich alle Utensilien in doppelter Ausführung bekommen und man hat mir die Beutel auch ins Büro gebracht. Der einzige Wechsel, der immer etwas schwierig war, war der um 19 Uhr, weil Abendessenszeit oder Trainings der Kinder anstanden. Aber auch das haben wir irgendwie hinbekommen. Die Kinder und mein Mann waren stets verständnisvoll und haben auf mich gewartet.

Ich bin damit sogar zweimal mit der gesamten Familie in den Urlaub gefahren – in die Bretagne und nach Holland. Das Auto war zwar mit den Kartons sehr voll, aber für eine Woche war das immer machbar. Ich musste die Wechsel nie heimlich machen. Meine Kinder und mein Mann wurden nie ausgeschlossen. Es war für sie normal, dass ich manchmal sagte: „Bring mir mal schnell einen Beutel, ich muss meinen Wechsel machen.“ Das ging einfach in unseren Alltag über. Sie haben mich sogar manchmal daran erinnert, indem sie sagten: „Mama, das Spiel ist aber um 13 Uhr, da musst du doch deinen Wechsel machen.“

Diese Phase erstreckte sich über vier Jahre, bis die kontinuierliche Bauchfelldialyse nicht mehr so gut funktionierte. Ich wurde auf die automatisierte Bauchfelldialyse mit einem Cycler für die Nacht umgestellt. Das Handling war zwar aufwendiger, aber die Dialyse über Nacht war nochmal eine Erleichterung für mich, weil ich so den Tag ganz frei hatte und keine Beutel mehr wechseln musste. Auch hier stellte ich mich darauf ein, dass es weiter geht, eben wieder anders.

Trotzdem ist irgendwann das Bauchfell so erschöpft, dass die Dialyseleistung nicht mehr genügt und daher war nach einem weiteren Jahr klar, dass ich einen Shunt benötige und zur Hämodialyse muss. Dann ging es eben wieder anders weiter. An meiner Einstellung hatte sich nichts geändert – auch nachdem der erste Shunt nicht funktionierte, und ich erneut operiert werden musste. Das war 2012/2013. Leider waren in den nächsten fünf Jahren noch weitere sogenannte Shunt-Revisionen nötig, um die Dialyse fortwährend optimal zu halten. Ich hatte während dieser Zeit ein sehr kompetentes Ärzt:innen-Team, zu dem ich stets großes Vertrauen hatte. Während die Bauchfelldialyse sehr viel mit Eigenverantwortung zu tun hatte, was Vor- und Nachteile mit sich brachte, konnte ich mit der Hämodialyse die Verantwortung ein Stück weit wieder an die Ärzt:innen abgeben. Die Freiheiten der Bauchfelldialyse (keine Einschränkung beim Essen und Trinken, größere Flexibilität und Mobilität) habe ich damals sehr genossen. Die Hämodialyse ist bei weitem viel belastender für den Körper und man ist oft sehr erschöpft danach. Daher würde ich auch immer empfehlen, mit der Bauchfelldialyse zu beginnen und erst dann mit der Hämodialyse anzufangen, wenn das Bauchfell erschöpft ist.

Während dieser Zeit bin ich immer drei Tage pro Woche arbeiten gegangen und dienstag-, donnerstag- und samstagvormittags hatte ich meine Dialysetermine. Ich habe immer versucht, mein Familien- und Sozialleben mit Freund:innen und Sport ganz normal weiterzumachen. Ich habe wirklich selten etwas abgesagt.

Die Wartezeit

Schon 2009 bin ich auch auf die Warteliste für die Transplantation gesetzt worden. Viele Hoffnungen hatte ich erstmal nicht, da ich eine sehr seltene Blutgruppe und, aufgrund meiner vier Kinder, auch sehr viele Antikörper hatte. Einmal im November 2017 wurde ich dann aber doch um fünf Uhr morgens angerufen und es hieß: „Wir haben vielleicht eine Niere für Sie.“

Daraufhin bin ich direkt ins Krankenhaus gegangen. Ich war sehr entspannt, weil ich dachte: „Okay, mal schauen.“ Es stellte sich allerdings schnell heraus, dass diese Niere nicht gut zu mir passte und so schickte man mich dann auch nach drei Stunden Voruntersuchung wieder nach Hause. Aber das empfand ich gar nicht so schlimm, weil ich mich gar nicht so bereit dafür fühlte. Der Tag war auch noch der Geburtstag meines Sohnes. Daher war ich eigentlich froh, wieder nach Hause zu dürfen.

Ich habe mich über die Transplantation nicht so viel wie vielleicht andere Patient:innen informiert. Obwohl ich gute medizinische Kenntnisse über meine Erkrankung habe, möchte ich mich nicht ständig damit auseinandersetzen und es zu meinen Hauptthema machen, sondern so normal wie möglich weiterleben – mit meiner Familie, meinem Sport, meiner Arbeit und meinen Freundinnen. Sätze wie: „Du bist krank, kannst du das überhaupt?“ oder „Mach das lieber nicht, das ist vielleicht nicht gut für dich!“, möchte ich nicht hören. Ich komme aus dem Leistungssport, und Selbstdisziplin und den Ehrgeiz es zu schaffen sind mir sehr wichtig.

Die Operation

Als ich im Mai 2019 den Anruf bekam, war ich im Büro und hatte gerade meine Tasse Kaffee neben dem Computer stehen. An diesem Tag war viel los, da wir Kollegen aus Spanien und Neuseeland zu Besuch hatten. Den Anruf nahm mein Kollege an, der sagte: „Du, für dich. Das Krankenhaus.“ Ich dachte mir, sie wollten vielleicht einen Termin verschieben; das kam ab und zu vor, aber als ich ans Telefon ging, sagte eine Ärztin ganz aufgeregt zu mir: „Frau F., wir haben ein Nierenangebot für Sie!  Sie gab auch sofort die Eckdaten durch und betonte, wie gut diese Niere zu meinen Werten passte.“

Ich war sehr perplex und hatte überhaupt nicht mit so einem Anruf gerechnet. Selbst noch einmal nach Hause fahren und Sachen holen, durfte ich nicht mehr, ich sollte direkt kommen. Dann begannen das Flattern und das Zittern, und ich war plötzlich total aufgeregt. Ich habe kurz meiner Chefin Bescheid gesagt, dann alles stehen und liegen gelassen und mein Kollege hat mich ins Krankenhaus gefahren. Ich konnte meinen Mann noch erreichen, meine Kinder waren in der Schule oder in der Uni. Das war ein komisches Gefühl: „Ich geh da jetzt hin, ganz allein, und ich werde vorerst keinen mehr sehen.“

Nur mit Personalausweis, Krankenkassenkarte und Geldbeutel stand ich dann auf der Transplantationsstation. Meiner Tochter hatte ich per Nachricht aufgetragen, eine kleine Tasche zu packen mit dem Zusatz: „Die kannst du aber morgen bringen, heute brauche ich die nicht mehr.“ Man isolierte mich dann direkt und schickte mich zu den ganzen Voruntersuchungen geschickt: Blutabnahme, Lungenaufnahme, Sonographie, EKG und diverse Aufklärungsbögen. Gegen 12 kam ich im Krankenhaus an und gegen halb fünf wurde ich in den OP geschoben. Das ging sehr flott. Mir wurde noch gesagt, dass ich die rechte Niere eines jungen Mannes bekäme, welche vorne ins Becken eingesetzt würde, und dann war ich auch schon weg.

 „Okay, ich bin wieder wach“, war das Erste, woran ich nach dem Aufwachen gedacht habe. Anschließend ist eigentlich sofort meine Hand unter die Decke gegangen, um zu fühlen, ob dort ein Verband ist. Ich bemerkte gleich, dass ein Katheter aus der Wunde ging und mir war klar, dass die Operation durchgeführt worden war. Dann kam auch schnell jemand und hat nach mir geschaut.

In den ersten Tagen nach der Operation habe ich sehr viel geschlafen. Ich weiß, dass mein Mann und meine Kinder zu Besuch kamen. Ich sah während dieser Zeit wohl nicht so gut aus, aber das habe ich erst nachher erfahren. Sie durften immer nur zu zweit und mit Maske ins Zimmer. Dazu habe ich am ersten Tag wohl noch etwas verwirrt geredet, was den Kindern Angst gemacht hat. Auch das Anspringen der neuen Niere war nicht so einfach bei mir. Die ersten drei Tage schied die Niere keinen Urin aus. Das machte mir Angst. Da mein Körper dann aufgrund der bei der Operation und danach zugeführten Infusionen sehr viel Wasser einlagerte, musste ich dreimal nachdialysiert werden. Ich traute mich schon gar nicht mehr, auf den Beutel zu schauen, bis mein Sohn zu Besuch war und sagte: „Mama, da ist was drin.“

Ich war noch sehr ungläubig, bis mir die Ärzt:innen bestätigten: „Die Niere springt an und funktioniert.“ Sie hatten am Anfang immer zu mir gesagt: „Machen Sie sich nicht verrückt. Es gibt Nieren, die springen sofort an und es gibt Nieren, die brauchen ein bisschen. Wir kennen das. Es dauert bei manchen Patient:innen einfach länger.“ Und das hatte sich dann auch bestätigt. In der Klinik wurde mir auch mitgeteilt, dass die transplantierte Niere eine Glomerulonephritis hat. Nicht so günstig, aber wohl auch nicht ungewöhnlich. Zur Sicherheit machte man dann auch noch eine Nierenbiopsie, um auch eine Abstoßungsreaktion auszuschließen. Da der Kreatininwert in den kommenden Tagen immer besser wurde, begann ich mich langsam zu freuen.

Aber viel beeinflussen konnte ich nicht, außer ausreichend trinken, meine Medikamente nehmen und einfach hoffen, dass sich alles stabilisiert. Das war dann auch so. Die nach einem halben Jahr darauffolgende Biopsie zeigte, dass die Glomerulonephritis abgeheilt war und es auch weiterhin keine Abstoßungsreaktion gab. Danach ging es stetig aufwärts und auch die Kreatininwerte wurden immer besser. Die Funktion der Niere hat sich heute nach zwei Jahren sehr gut stabilisiert.

Die Disziplin, die man nach einer Transplantation benötigt, war mir durch meine Krankenvorgeschichte bewusst. Ich setze mich immer sonntags hin und dosiere meine Tabletten für zwei Wochen. Wenn mein Timer im Handy klingelt, weiß ich, dass ich meine Tabletten zu nehmen habe. Ich habe mich auch mal vertan, aber das gehört ein Stück weit dazu. Das Entscheidende, was die Ärzt:innen immer sagen ist: „Wenn es klingelt, dann direkt nehmen.“ Nicht denken: Mach ich gleich, denn dann kann es gerne passieren, dass man sie vergisst und gerade bei den Tabletten gegen die Abstoßung ist eine zeitlich genaue Einnahme sehr wichtig. Ich kann nur raten, die Einnahme der Tabletten ernst zu nehmen, denn sie entscheiden ein Stück weit den Erfolg der Transplantation.

Nach der OP war ich nur zehn weitere Tage im Krankenhaus. Ich bin, was das betrifft, wirklich ein Steh-auf-Männchen. Nach drei Tagen saß ich strickend im Bett und fragte, wann ich nach Hause gehen darf. Liegen konnte ich ja zu Hause genauso wie im Krankenhausbett, mit dem Unterschied, dass ich mich dort wohler fühlen würde, weil ich mit meinem Mann und meinen Kindern zusammen war. Als ich dann zu Hause war, habe ich erstmal meine Wäsche gewaschen und geschaut, was so zu tun ist. Wenn die Kinder unterwegs waren, habe ich mich aber noch viel hingelegt und gelesen.

Das neue Leben

Ich habe nach der Transplantation nie Kontakte zu anderen Patient:innen aufgenommen. Ich ging sogar einmal aus dem Wartezimmer raus, weil ich es nicht ertragen konnte, wie ein Ehemann die Krankheitsgeschichte seiner Frau einer anderen Patientin erzählte.  Ich dachte nur „Oh, Mann! Das ist nicht deine Geschichte, die hast du nicht zu erzählen.“ Ich hatte auch Schwierigkeiten, wenn ich das Gefühl hatte, dass andere meinen Mann bemitleiden, weil er eine kranke Frau hat. „Du Armer, ist deine Frau wieder im Krankenhaus.“, war so ein gängiger Satz, der mich sehr ärgerte. Ich bin auch nicht in die sonst empfohlene Reha gegangen. Ich wollte mich nicht mit Patient:innen umgeben, die entweder meine Krankengeschichte hören wollten, oder ich sollte mir ihre anhören. Mein größter Wunsch war immer zurück in die Normalität mit der Familie, Freunden und dem täglichen, gewöhnlichen Alltag.

Das größte Geschenk nach der Transplantation war die morgendliche Freiheit. Den Gedanken „Morgen habe ich Dialyse, da kann ich nicht zum Brunch zu meiner Freundin“ gab es nicht mehr. Für meine Kinder war das ganz komisch, weil ich samstags nach der Dialyse immer zum Bäcker ging und Brötchen mit nachhause brachte. Nach der Transplantation haben sie sich eher beschwert: „Boah, die Mama ist samstags morgens wieder da und da ist schon wieder Lärm. Und … wo sind denn die Brötchen?“

Ein Jahr nach der Transplantation durfte ich meine Arbeitszeit auf vier Tage in der Woche erhöhen. Ich bin aber auch froh, dass ich weiterhin einen Tag frei habe. So kann ich jetzt wieder am wöchentlich, morgendlichen Kaffeetreff teilnehmen, mal in Ruhe in der Stadt bummeln gehen oder auch andere Termine wahrnehmen. Das genieße ich sehr.

Dabei wieder alles Essen und Trinken zu können, ist eine große Erleichterung. Ich war immer ein guter Trinker was Wasser, Tee und Kaffee betrifft. Ich habe nie Alkohol getrunken, daher war das für mich kein Thema. Aber dass ich mir jetzt ungestört eine Kanne Tee machen kann, ohne darüber nachzudenken: „Wie viele Milliliter hast du denn heute schon getrunken?“ Oder „Darf ich das überhaupt essen? Ist da Kalium oder Phosphat drin?“, das bedeutet mir sehr viel. Was habe ich nach der Transplantation Berge von Kirschen gegessen, weil Kirschen vorher wegen des hohen Kaliumgehalts tabu waren – sowie Kartoffeln und viele andere Gemüsesorten.

Reisen war durch die Hämodialyse sehr eingeschränkt. Ich konnte nur dorthin fahren, wo es auch eine Dialysestation gab, die mich vor Ort betreute. Dadurch war ich während dieser Zeit nie im Ausland, obwohl ich durch meine Sprachen immer gerne in andere Länder gereist bin. Mein Mann und ich haben aber immer versucht, dass die Kinder in den Sommerferien mit Freunden oder Jugendreisen wegfahren konnten. Ich freue mich sehr, dass jetzt kleinere und auch größere Reisen mit der neuen Niere wieder möglich sind. Bisher waren es nur kurze Reisestrecken mit dem Auto, immer mit dem Gedanken, auch schnell zurückzukönnen, falls etwas nicht stimmt. Bald werde ich aber beruflich auch mal wieder mit dem Flugzeug zu Kollegen nach Barcelona dürfen, um da an einer Schulung teilzunehmen. Auch Frankreich, Italien und Portugal stehen auf meiner Wunschliste, aber ich plane nicht mehr, wie ich das früher gemacht hätte.

Ich bin mit meinen Betreuer:innen im Krankenhaus sehr zufrieden – auch schon vor der Transplantation. Zu meinen Ärzt:innen und Pfleger:innen hatte ich stets vollstes Vertrauen und nicht einmal das Gefühl, dass man nicht ehrlich zu mir war oder mich nicht optimal behandelte. Sie haben mir immer Zuversicht gegeben. Alle zwei bis drei Monate bin ich jetzt bei meinem Nephrologen, um den Medikamentenspiegel zu kontrollieren. Ins Transplantationszentrum muss ich aktuell nur noch einmal im Jahr.

Die Tatsache, eine Spenderniere bekommen zu haben, macht mich sehr glücklich und dankbar. Da gab es einen Mann, der entschieden hat, dass wenn er stirbt, andere seine Organe haben dürfen. Er hat es mir und einem anderen Patienten ermöglicht, mit seinen Nieren, gesünder weiterleben zu dürfen. Besonders mir hat er ein unbeschwerteres, fitteres Leben mit meinem Mann und den Kindern geschenkt. Durch die Transplantation konnte auch meinen Kindern viel Angst um ihre Mama genommen werden, denn ich weiß natürlich, dass das immer eine große Belastung für sie war, und ich merkte, dass sie sehr froh darüber sind, dass es mir so gut geht.

Organspende ist durch mich auch Thema in meinem Bekanntenkreis geworden. Ich kenne einige Leute und leider auch Freund:innen, die gegen Organspende sind und das ist in meinem Fall nicht schön, wenn man hört: „Ich habe keinen Organspendeausweis“ oder „Ich würde meine Organe nie zur Verfügung stellen.“ Aber auch das krasse Gegenteil war der Fall. „Ich werde mich sofort untersuchen lassen. Hör mal, wenn meine Niere passt, dann spende ich sie dir.“ Meine Kinder haben alle einen Organspendeausweis, weil sie persönlich diese Angst erfahren haben: Was ist, wenn Mama stirbt?

Ich bin unglaublich dankbar für diesen neuen Lebensabschnitt, denn ich fühle mich viel fitter und gesünder. Dass es geklappt hat, macht mich immens glücklich, immer mit dem Bewusstsein, dass es keine Garantie gibt, und ich gewissenhaft und verantwortlich mit diesem Leben umgehen muss. Oft bin ich mit meinen Gedanken bei diesem mir unbekannten Spender, der tragischerweise so früh sterben musste. Die Worte: „Du hast mir jetzt nochmal ganz, ganz viel Zeit geschenkt. Gesunde Zeit.“ kommen mir immer wieder in den Sinn, wenn ich die Hände auf meine neue Niere lege.“