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Alexandra H.

Jahrgang 1987

Altenpflegefachkraft (Wohnbereich- und Pflegedienstleitung)

Lebertransplantation 2016

Meine Botschaft

„Nicht aufgeben! Egal, wie schwer es wird. Die Anstrengungen lohnen sich.“

Patientin Alexandra zusammen mit ihrem Hund
Novartis

Mein Erfahrungsbericht

Meine Krankenvorgeschichte

„In meinem zweiten Lebensjahr haben wir festgestellt, dass ich Rheuma habe – um genau zu sein, eine juvenile, chronische Arthritis. Diese Krankheit führt zu Entzündungen in den Knochen, welche anschwellen und starke Schmerzen auslösen. Die Schmerzen wurden mit Kortison-Spritzen und verschiedenen Medikamenten behandelt. Nach einigen Jahren war die konstante Medikamentenbelastung allerdings zu viel für meine Leber, die ab 2016 dann versagte.

Während meiner Kindheit war ich mehrmals im Krankenhaus – oft zweimal im Jahr und für mehrere Wochen. Meine Mutter war zwar über die gesamte Zeit bei mir, aber vor allem in der Grundschule war es dadurch sehr schwierig, feste Freundschaften aufzubauen. Es waren zwar immer alle nett und haben sich oft nach mir erkundigt, aber die meiste Zeit dann zu Hause habe ich doch bei meiner Großmutter oder Tante verbracht.

Je älter ich wurde, desto besser wurden meine Knochen und ich war auch weniger im Krankenhaus. Nur etwa einmal im Jahr bin ich zur Kontrolle in die Klinik gefahren. Mit 15 oder 16 sagte mir mal ein Arzt, dass es sein könnte, dass sich mein Rheuma durch die Pubertät herauswächst. Allerdings trat das bei mir nicht ein, und so wurde ich auf ein anderes, neueres Medikament umgestellt. Das hat so gut gewirkt, dass ich lange Zeit gar nicht mehr ins Krankenhaus musste – außer zur weiteren Verschreibung. Mit 18 Jahren wurde ich zum letzten Mal in der Kinderklinik behandelt. Daraufhin bin ich zu niedergelassenen Rheumatolog:innen gegangen, wenn ich ein neues Rezept brauchte.

Daraufhin habe ich meine Ausbildung als Pflegekraft gemacht. Mit einer Erkrankung in den Knien und Füßen war diese Richtung vielleicht nicht so ganz passend gewählt, aber es hat in Summe gut funktioniert und der Job machte mir großen Spaß. Wenn einmal Schmerzen in Rücken, Knien oder Füßen auftraten, habe ich, nach Rücksprache mit meinen Ärzt:innen, einfach eine Tablette genommen. An „Rheuma“ habe ich gar nicht mehr groß gedacht.

Mit Ende 20 fing ich auf einmal an, abzunehmen. Darüber habe ich mich erstmal sogar noch gefreut, da ich immer eine recht kräftige Statur hatte. Auch im Routine-Blutbild, was ich aufgrund meines Rheumas alle drei Monate machen muss, ist nichts aufgefallen. Daraufhin bin ich mit Frau und Kind noch in den Sommerurlaub geflogen.

Als wir wieder nach Hause kamen, begann es, mir richtig schlecht zu gehen. Mit der Abnahme begannen Schmerzen am ganzen Körper, die mit der Zeit immer schlimmer wurden. Komisch daran war, dass die Rheuma-Tabletten nicht dagegen halfen. Zusammen mit meiner Frau und Freunden, beschloss ich, ins Krankenhaus zu fahren. Dort fielen den Ärzt:innen im Blutbild dann sehr hohe, um nicht zu sagen: katastrophale, Leberwerte auf. Eine Nacht blieb ich dort im Krankenhaus. Danach entließ ich mich selbst und suchte meine Hausärztin des Vertrauens auf, die mich in das nächstgrößere Klinikum überwies. Meine Haut und Augen waren gelblich. Ihre Einschätzung: „Da stimmt was nicht.“

Da meine Frau arbeiten war, fuhr mich mein bester Freund ins neue Krankenhaus. Mit diesen Blutwerten nahmen sie mich sofort stationär auf. Dort wurde ein weiteres Blutbild gemacht und eine Leberbiopsie genommen. Durch hochdosiertes Kortison normalisierten sich die Blutwerte und ich konnte entlassen werden. Zu Hause sollte ich dennoch weiterhin Kortison nehmen und täglich herunterdosieren. Je weniger Kortison ich nahm, desto schlechter ging es mir wieder.

So bin ich nach knapp einer Woche mit denselben Schmerzen erneut ins Krankenhaus – diesmal allerdings sofort in das Leberzentrum im entfernteren Uniklinikum. Drei Tage lag ich direkt auf der Intensivstation. Dort wurde ich komplett durchgecheckt, auch auf Alkohol- und Drogenmissbrauch, was bei mir aber nicht vorlag.

Nach einigen Tagen ging es mir wieder schlechter, die Leberwerte stiegen in die Höhe und meine Haut wurde gelblicher. Meine Frau startete noch einen Aufbau-Versuch und legte mir zum Vergleich eine Banane auf den Bauch. Eine weitere Leberbiopsie bestätigte allerding den Funktionsverlust der Leber und ich wurde auf die Transplantationsliste gesetzt.

Die Wartezeit

Insgesamt dauerte es sechs Wochen, bis ich eine neue Leber bekam. In dieser Zeit wurde ich komplett untersucht – auch zu Kardiolog:innen, Zahnärzt:innen und zur Psychologin musste ich. Mit ihr habe ich lange über das Leben mit einem „fremden“ Organ geredet.

Meine Frau besuchte mich täglich nach der Arbeit und meine Eltern waren auch oft bei mir. Sie haben mich sehr unterstützt und öfters mit etwas anderem Essen oder Trinken versorgt – denn das Krankenhausessen ist meistens nicht das leckerste ...

Interessant war in dieser Zeit, dass es niemandem, den ich im Krankenhaus getroffen habe, aufgrund der Erkrankung so schlecht ging wie mir. Einige wurden auch auf die Transplantationsliste gesetzt, durften aber trotzdem noch nach Hause. Mir allerdings ging es über die Zeit immer schlechter.

Neben den nette Ärzt:innen, die mich genauestens über die bevorstehende Transplantation aufgeklärt haben, haben meine Frau und ich auch viel gegoogelt. Wir fanden Foren in den sozialen Medien, die uns sehr gefallen haben. Dort kann man ungezwungen über jede noch so banale Frage reden und bekommt in der Regel immer gute Antworten – aber auch sehr diverse. So teilte mir meine Mutter mit, dass eine neue Leber fünf bis zehn Jahre durchhält, meine Frau fand aber Beispiele in diesen Foren, in denen ein transplantiertes Organ 30 Jahre hielt.

Mehr aus der Zeit im Krankenhaus weiß ich allerdings nicht mehr, denn bald wurden meine Leberwerte immer schlechter, Medikamente konnte ich aufgrund der Toxizität nicht nehmen und ich bekam eine Lungenentzündung mit Nierenversagen. Daraufhin setzten mich die Ärzt:innen ins künstliche Koma. Ich kann mich noch an den letzten Anruf an meine Frau erinnern: „Ich gehe jetzt ins Koma, sonst überlebe ich das nicht.“

Die Operation

Die Nachricht, dass ein Organ zur Transplantation bereitsteht, hat meine Frau bekommen. Sie hat in der Zeit sehr unter der Situation gelitten und wirkliche Horrorszenarios durchgestanden, bis die Nachricht kam. Aufgrund einer persistierenden Lungenentzündung musste dann auf Risiko transplantiert werden. Im Nachhinein sagte mein Arzt, dass ich keine zwei Tage mehr gehabt hätte und deswegen das Risiko eingegangen wurde. Die Operation dauerte acht Stunden.

Insgesamt lag ich ungefähr drei Monate unter Beatmung im Koma oder unter starker Sedierung – zwei Monate davon auch nach der Transplantation. Das lag vor allem an schweren Lungenentzündungen, die so besser unter Kontrolle gebracht werden konnten. Ich muss während dieser Zeit ein paar Phasen durchgemacht haben, in denen ich versuchte, Schläuche zu ziehen oder Geräte wegzutreten, sodass man mich am Bett festband.

Zwischendurch haben die Ärzt:innen ein paar Mal versucht, mich aufzuwecken, aber erst nach etwa zwei Monaten hat es dann geklappt. Meine ersten Gedanken waren: „Ich glaub, ich lebe. Aber wie leb ich denn?“, denn die erste Zeit war sehr schwer. Ich hätte nicht schreiben können, weil ich unglaublich zitterte. Keiner wusste, warum das so ist, aber trotzdem durfte ich einen Tag nach Hause. Nach dem lagen liegen, hat sich meine Muskulatur zurückgezogen und ich musste so erstmal am Rollator wieder gehen lernen.

Die ersten Monate

Einen halben Tag und die halbe Nacht war ich nicht in der Klinik. In den frühen Morgenstunden fand mich die Tochter meiner Frau mit Schaum vor dem Mund im Bett auf. Diagnose: Hirnschlag oder auch Pressanfälle. Sie ruf daraufhin meine Mutter, die glücklicherweise nur fünf Minuten von uns weg wohnt, und den Notarzt. Daraufhin bin ich nach dem Ortskrankenhaus wieder in das Uniklinikum gebracht. Auch während dieser Fahrt gab es weiterhin Pressanfälle – insgesamt neun Schläge in 72 Stunden. Woher und warum diese Anfälle kamen, kann bis heute niemand genau sagen. Das ist nach einer Transplantation bisher noch nicht vorgekommen. Erst nach einer Medikamentenumstellung ging es mir dann besser. Als ich dann allerdings aus einer der Sedierungen erwachte, konnte ich nichts mehr sehen.

Ich war wirklich blind, das hat dann auch ein Augenarzt bestätigt – nur rot-weiße Farbunterschiede konnte ich wahrnehmen. Nachdem allerdings meine Muskulatur und die neue Leber gut funktionierten, konnte ich in die neurologische Reha. Dort baute ich meine Muskulatur wieder auf und auch mein Hirn begann wieder richtig zu arbeiten.
In meinem früheren Job hatte ich einen blinden Patienten, an den ich oft denken musste. Oft habe ich mir die Frage gestellt: „Was macht der da? Warum hält er immer einen Finger in die Tasse, wenn er was eingeschüttet hat?“ Erst wenn man selbst einmal in dieser Situation ist, erkennt man den Sinn dahinter. Oft habe ich mich dann auch bewusst zurückerinnert und mir aus dem Gedächtnis meine eigenen Tipps zusammengestellt. Ich hatte sehr gute Kräfte und Hilfskräfte, die mir geholfen und Tricks gezeigt haben, wie man lebt, wenn man blind ist.

Meine Frau kam mich dort auch of besuchen und half mir wieder auf die Beine. Mit ihr machte ich immer zusätzliche Übungen, ob ich Lust hatte oder nicht. Ob ich an dem Morgen schon mit den Ärzt:innen gearbeitet hatte, war Ihr egal. Ich bin ihr aber sehr dankbar dafür. Auch sie hat nicht aufgegeben und einen großen Beitrag zu meiner Genesung geleistet.

Das neue Leben

Ich habe meiner Leber einen Namen gegeben. Ich denke nicht oft aktiv daran, aber die Narbe komplett um den Bauch erinnert mich natürlich jedes Mal an die Transplantation. Immer wenn ich gefragt werde, wie es mir geht, sage ich: „Genau genommen, sind wir ja zu zweit. Also uns geht’s gut. Danke schön.“

Aber auch nachdem ich aus der Reha zurück war, konnte ich noch nicht durchstarten. Zu Hause ging ich erst noch lange am Rollator, weil ich einfach die Muskulatur noch nicht wieder aufgebaut hatte. Zusammen mit meiner Frau und der Physiotherapie habe ich immer kleine Schritte gemacht. Auch die Krankenkasse hat mir sehr geholfen, da wir zum Beispiel das Bad umbauen und einen Rollstuhl organisieren mussten.

Ich bin weiterhin eine große Befürworterin des Social-Media-Transplantationsforums. Auch nach der Eingewöhnungszeit tauchen immer wieder Fragen auf, wenn es beispielsweise um Tattoos oder besondere Essenserlebnisse geht. Meine Frau stellt dort oft solche Fragen ein und das Forum bringt so wirklich einen großen Mehrwert – in jeder Phase einer Transplantation. Zum Beispiel wird die Gallenblase bei der Lebertransplantation nicht mittransplantiert, daher muss man seine Essgewohnheiten etwas umstellen.

Nach der Transplantation hatte ich erstmals keine Beschwerden durch meine Grunderkrankung – für etwa vier Jahre. In den letzten Monaten ist allerdings mein Rheuma wieder aufgetaucht und wird schlimmer – auch, da ich nicht mehr viele Optionen an Medikamenten habe. Ich bin wieder häufiger bei den Ärzt:innen und habe jetzt am Uniklinikum eine Behandler-Gruppe aus Transplantationsmediziner:innen und Rheumatolog:innen. Damit geht es jetzt sehr gut voran. In der Regel muss ich einmal im Quartal ins Transplantationszentrum fahren.

Ich kann wieder reisen und Dinge unternehmen. Beispielsweise lud die Oma meiner Frau uns auf eine Schiffstour nach Italien ein. Mit Absprache konnte ich diese auch mitmachen. Schiffstour, Flug und Landgänge mit Rollstuhl waren absolut kein Problem. Danach machten wir auch weitere kleine Urlaube in Belgien am Meer. Auch wenn ich nicht mehr arbeiten kann, mache ich das Beste aus meinem Leben. Ich habe meine Frau geheiratet, mir einen Hund geholt und genieße ganz pragmatisch den Gedanken: „Juhu, ich bin noch da.“

Jede:r, der oder die krank ist und weiß, es braucht eine neue Leber, sollte dazu „ja“ sagen. Das „neue Leben“ ist so viel wert, diese Chance sollte man unbedingt ergreifen. Auch wenn die Zeit sehr anstrengend für meine Familie und mich war, bin ich sehr froh darüber, dass keiner aufgegeben hat und alle mit mir gekämpft haben. Am Ende hat sich all das gelohnt.“