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Ralf T.

Jahrgang 1968

Koch/Automobilkaufmann

Nierentransplantation 1988 und 2019

Meine Botschaft

„Arsch hoch und nicht aufgeben! Das ist auch so generell mein Lebensmotto. Immer eine Lösung oder Möglichkeit finden, wie es weitergeht. Denn davon gibt es einige!“

Patient Ralf lächelt in die Kamera
Novartis

Mein Erfahrungsbericht

Meine Krankenvorgeschichte

„Im Kleinkind-/Babyalter hatte ich eitrige Mandeln, welche mir daraufhin mit drei Jahren entfernt wurden. Einige Jahre später hat sich dann herausgestellt, dass ich Eiweiß im Urin habe und dass sich die Mandelentzündung wohl auf die Niere geschlagen hatte. Ich wurde dann zum Urologen geschickt, der mich anschließend in ein Krankenhaus mit dem Spezialgebiet Nephrologie überwiesen hat. Dort habe ich seit dem siebten Lebensjahr alle meine Schulferien verbracht. Die ersten Jahre wurde oft eine Nierenbiopsie durchgeführt mit dem Ergebnis, dass es sich bei meiner Krankheit um ein nephrotisches Syndrom handelt, wodurch sich eine Niereninsuffizienz entwickelte. Die Mandelentzündung hatte vernarbtes Gewebe zurückgelassen, welches sich dann auch nicht mehr erholte.

Daraufhin hat man verschiedene Medikamente ausprobiert, unter anderem auch Cortison und Prednisolon. Ich musste auch eine Diät mit sehr viel Milch und Quark machen, um den Eiweißverlust auszugleichen. Mittlerweile weiß man allerdings, dass diese Diät im Anfangsstadium eines Nierenversagens genau die falsche Variante ist. Aber in den 70er Jahren war das damals Stand der Wissenschaft.

Dem Urologen war wohl bekannt, dass ich irgendwann mit einer Dialyse behandelt werden müsste. Das hatte er damals aber meinen Eltern so nicht erzählt. Als ich 1986 zur ersten Dialyse musste, war aber selbst er überrascht, dass es dann doch so schnell ging. Durch einen Sturz in der Schule zog ich mir einen Außenbandriss am Knöchel zu, der im Krankenhaus operiert werden sollte. Nach dem Blutdruck messen, sagte der Anästhesist: „Mit 240 wachst du nicht mehr auf, wir können nicht operieren.“ Die Ärzte haben es zwar geschient und gegipst, aber das größere Problem war die Niere, die schon mehr oder weniger versagt hatte. Drei Monate später war mein erster Dialysetermin.

Ab dem Ende der elften Klasse war ich stationär im Krankenhaus – einerseits zur Dialyse und andererseits, um den eingegipsten Fuß auszukurieren. Es war eine interessante Zeit, da ich mit 17/18 eine große Ausnahme bei den Dialysepatienten und damit Gesprächspartner war. Ich habe das komplette 12. Schuljahr mit drei Tagen Dialyse (Montag, Mittwoch, Freitag) und drei Tagen Schule (Dienstag, Donnerstag, Samstag) verbracht.

An den Dialysetagen ist immer eine Schulfreundin zu mir nach Hause oder ins Krankenhaus gekommen, die mir den aktuellen Stoff und die Hausaufgaben mitgebracht hat, sodass ich möglichst wenig vom Unterricht verpasst habe. Im Sommer ‘87 habe ich so das Abitur abgelegt – sogar mit einem sehr guten Abschluss.

Danach war ich aber erst einmal krankgeschrieben. Patienten hatten damals in der DDR in etwa den Status eines Rentners. So war ich dann mit 18/19 Jahren Invalidenrentner. Ein positiver Effekt davon war, dass ich dadurch auch in die Bundesrepublik reisen konnte, weil ich als Rentner zählte. Scheinbar hat es niemanden interessiert, wie alt ich bin. In dieser Zeit habe ich dann ein bisschen als technischer Zeichner gejobbt, weil ich später auch etwas in diese Richtung studieren wollte. Mehr ging auch leider nicht, da mich die Acetatdialyse damals sehr ausgezehrt hatte. Ich wog 68 Kilogramm bei einer Körpergröße von 1,94 Meter. So habe ich mein jugendliches Dasein von ‘87 bis zur Transplantation ‘88 verbracht.

Die Wartezeit

Meine Eltern und mein jüngerer Bruder haben mich in dieser Zeit sehr unterstützt. In den letzten Zügen der Dialyse hatte sich bei mir eine Polyneuropathie in den Beinen bis zum Knie entwickelt. Das war so schlimm, dass ich nicht mehr stehen konnte, ohne mich festzuhalten, weil das gesamte Gleichgewichtssystem nicht mehr funktioniert hat. Ich erinnere mich an einen Vorfall, als ich mit meiner Familie im Zirkus war. Als wir nach der Vorstellung aus dem Zelt kamen, bin ich aufgrund der Neuropathie sehr bisschen tapsig hin- und hergelaufen und musste mich festhalten. Ein Passant beschimpfte mich dort schmerzvoll als besoffen, bis ihm mein Bruder mit gerade einmal vier, fünf Jahren die Meinung gesagt hat. Er hatte damals schon erkannt, was mit mir los ist und mich verteidigt. Das war so der größte Rückhalt.

Zur Dialyse bin ich oft mit einem normalen Krankentransporter gefahren worden – zusammen mit weiteren Patient:innen aus verschiedenen Dörfern. So habe ich ein paar andere Patient:innen kennengelernt und bin mit einem von ihnen auch heute noch gut befreundet. Andere Kontakte habe ich nicht gesucht.

Ich gehe davon aus, dass ich vom Beginn der Dialyse an auf die Transplantationsliste gesetzt wurde, obwohl die Information nie zu mir durchdrang. Erst durch einen Anruf Ende Februar 1988, frühmorgens um drei mit der Nachricht: „Pass auf, wir haben eine Niere“, habe ich von der anstehenden Transplantation erfahren. Genau vier Tage später hätte ich von meinem Vater eine Lebendspende bekommen. Den Anruf nahm initial meine Mutter an, die mich sofort danach aufweckte. Allerdings war ich in diesem Moment noch etwas benebelt und habe mich im Bett erst nur umgedreht und weitergeschlafen. Meine Mutter hatte die Tasche gepackt und mich dann mit sanfter Gewalt aus dem Bett gescheucht, weil der Krankentransport ins Transplantationszentrum schon vor dem Haus stand. Am Steuer saß genau der Krankenwagenfahrer, zu dem ich ein sehr enges Verhältnis hatte. Er hat sich auch sehr für mich gefreut und mich direkt ins Zentrum gefahren.

Die Operation

Morgens um acht sind wir im Transplantationszentrum angekommen. Der Krankenwagenfahrer sagte noch: „Wir gehen auf Station, ich geb dich da ab und dann bin ich weg.“ Zwar wusste er, dass er eigentlich hätte warten müssen, bis ich wirklich im OP bin, weil noch einige Parameter nicht stimmen könnten und ich so wieder nach Hause müsste, aber seine Zuversicht hatte sich gut angefühlt.

Als ich am Zentrum ankam, war die Niere noch unterwegs – im Zug. Sie hatte wohl schon eine große Reise mit verschiedenen Untersuchungen hinter sich, weswegen sie bereits eine kalte Ischämiezeit von 23 Stunden hatte, bis sie bei mir ankam. Trotzdem haben die Pfleger:innen mich für die Operation vorbereitet, geröntgt und Elektrolyte gemessen. Als es dann in den OP ging, lag ich auf dem Tisch und eine weiße Styroporbox wurde auf meinen Bauch gestellt. Die Schwester sagte noch: „Hier ist Ihre Niere drin“, und dann ging es in den OP. Das sind so Sachen, die vergisst man einfach nicht.

Zweieinhalb bis drei Stunden dauerte die OP. Ich wurde danach auf die Isolationsstation gebracht, auf der sowohl das Personal als auch meine Besucher:innen durch eine Schleuse mussten, um mich zu sehen. Erst nach sechs oder sieben Tagen wurde ich auf die normale Station verlegt. Ich weiß noch, dass ich nach dem Aufwachen extremen Durst auf Bier hatte. Nach fünf Tagen habe ich sogar ein 0,3er Bier bekommen. Das hat aber schon gereicht, um mich betrunken zu machen, nachdem ich die ersten drei Tage außer ein bisschen Suppe nichts gegessen hatte.

Die Niere hat direkt gut gearbeitet. Ich musste eine Ausscheidung von 12 Litern kompensieren und habe Bananen und Infusionen bekommen, weil das Kalium so niedrig war – und das bei der schwierigen Bananen-Situation in der DDR!

Meine Eltern haben mich erst nach drei oder vier Tagen besuchen können. Es war ein weiter Weg von mir zu Hause bis zur Klinik und in diesem Winter hatten wir viel mit Schnee zu kämpfen.

Die ersten Monate

Ich hatte mich schnell an das neue Organ gewöhnt. Die ersten Tage bekam ich noch Infusionen, aber bald habe ich wirklich mit viel Appetit gegessen und in den nächsten Monaten wieder zugenommen. Daraufhin habe ich wieder ein ganz normales Leben als Jugendlicher gelebt. Ich kann mich an keine schwierige Eingewöhnungsphase oder Reha erinnern. Die Einschränkung mit den Medikamenten hat mich auch nie großartig belastet.

Nach circa vier/fünf Wochen im Krankenhaus wurde ich entlassen. Nach der Transplantation und durch die starken Immunsuppressiva hatte ich eine Gelbsucht mit astronomisch hohen Leberwerten entwickelt, die niemand zuordnen konnte. Später fand man heraus, dass ich mir durch eine Bluttransfusion leider Hepatitis C zugezogen hatte, was zu dieser Zeit noch unbekannt war. Daher war ich noch ein paar Tage in einem anderen Krankenhaus, um das abzuklären und durch Anpassung der Immunsuppressiva zu behandeln.

Zu Hause konnte ich die Trink- und Esseinschränkungen durch die Dialyse abstellen. Endlich konnte ich wieder essen und trinken, ohne großartig darauf achten zu müssen, was und wie viel es ist. Durch die Krankheit hatte meine Mutter den Essensplan der Familie umgestellt, sodass die ganze Familie darunter „gelitten“ hat. So haben sich alle gefreut, dass wir wieder flexibler essen konnten. Auch die Polyneuropathie wurde schnell besser.

Am Anfang musste ich alle drei oder vier Wochen ins Transplantationszentrum. Das hat sich dann auf einen Sechs- bis Acht-Wochen-Rhythmus ausgedehnt. Vorrangig ging es bei diesen Terminen um die Anpassung der Immunsuppressiva-Spiegel.

Das neue Leben

So habe ich dann mein neues Leben begonnen. Im September desselben Jahres begann ich ein Maschinenbaustudium. Ich war leider kein vorbildlicher Student und habe das Studium sehr schleifen lassen. Daher bin ich auch durch viele Prüfungen gefallen, sodass mich die Universitätsleitung nach knapp zweieinhalb Jahren vor die Wahl gestellt hat: Entweder sie schmeißen mich raus oder ich fange nochmal ganz von vorne an. Es war eine sehr schöne Zeit, ich will die nicht missen, aber sie hatte eben mit dem Inhalt des Studiums am Ende nicht mehr viel zu tun gehabt.

Ich habe erkannt, dass ich wirklich in die Schule gehen muss, um den permanenten Druck zu haben, etwas zu tun. Als ich das zu Hause meinen Eltern offeriert habe, waren die natürlich weniger begeistert. Meine Cousine ist Ärztin, ihr Bruder Doktor der Architektur und in einem Dorf, in dem jeder jeden kennt, der zu sein, der sein Studium abbricht, macht keinen guten Eindruck.

Nach der Wende begann ich in Bayern eine Ausbildung zum Koch und habe dann insgesamt 20 Jahre in der Gastronomie gearbeitet – davon gut zehn Jahre in der Küche. Während meiner Ausbildung war ich älter als der Küchenchef, aber ich habe mich zusammengerissen und die Ausbildung sehr gut abgeschlossen. Ich habe sogar noch Hotel-Betriebswirtschaft studiert und mich streng an einen Plan von Montag bis Freitag gehalten, weil ich wusste, dass das sonst nichts wird. Ich hatte auch die Motivation, Karriere zu machen und habe in verschiedenen Städten in Deutschland und der Schweiz gearbeitet. Mit der Transplantation bin ich von Anfang an immer offen umgegangen und habe auch nie ein Problem mit Arztbesuchen oder Medikamenteneinnahmen erfahren.

Etwa zehn Jahre nach der Transplantation bin ich in eine neue Stadt gezogen und habe zu einem neuen Nephrologen gewechselt. Er stellte fest, dass die Nierenwerte schleichend immer schlechter wurden und prognostizierte schon, dass sie nicht mehr lange halten würde. Eine Umstellung der Medikation bewirkte allerdings, dass sie fast noch 13 weitere Jahre durchhielt. Insgesamt hat die Niere knapp 22 Jahre gut funktioniert, auch wenn die Nierenfunktion zwischendrin schlechter wurde. Innerhalb von etwa acht Wochen hat sie dann allerdings schnell versagt, was sich bei mir vor allem durch Wasser in den Beinen und sogar in der Lunge bemerkbar gemacht hat. Die Ärzt:innen haben noch einen Shunt gelegt, dass ich die Chance habe, eine Hämodialyse zu machen und diese begann daraufhin auch zwei Wochen später.

Ich hatte mich nie vom Gedanken der Dialyse verabschiedet. Für mich war klar, dass die Dialyse irgendwann wieder in mein Leben zurückkommt. Ich bin also nicht aus allen Wolken gefallen, aber ich war auch nicht begeistert. Mein Leben hatte sich von heute auf morgen wieder komplett umgestellt. Ich war wieder krankgeschrieben und musste dreimal die Woche, am Anfang vier, später auch fünf Stunden zur Dialyse.

Ich habe mich davon aber nicht unterkriegen lassen, selbst wenn mir die Ärzt:innen auch wenig Hoffnung gemacht haben. Ich wurde in Richtung eines Rentenantrages gedrängt, weil sie mir keine weiteren beruflichen Schritte zutrauten. Zwar war ich Dialysepatient, aber ich fühlte mich nicht so krank, dass ich gar nicht mehr arbeiten konnte. Eine Rente wäre nur der Krankenkasse lieber gewesen, weil sie dann weniger zahlen müsste. Nach vielen Diskussionen mit Ärzt:innen und Ämtern wurde mir dann eine Umschulung ermöglicht. Ich musste beim Arbeitsamt und der Berufsgenossenschaft einige Eignungstests machen, bis ich gefragt wurde, welchen Zweig ich denn einschlagen möchte.

Für mich stand zu diesem Zeitpunkt fest, dass ich mich sehr für Autos interessiere und darum gerne Automobilkaufmann werden möchte. Ich hatte mir die Bewerbungsphase relativ einfach ausgemalt, nachdem die Umschulung den Arbeitgeber durch die Beteiligung der Rentenversicherung nichts kosten würde. Dem war allerdings nicht so. Der Kostenfaktor ist nicht der Faktor, der die Arbeitgeber interessiert, eher das Bild eines Azubis mit Anfang 40. Das musste ich leider schmerzlich feststellen. Ich habe mehr als 30 Bewerbungen geschrieben, um ein einziges Vorstellungsgespräch zu bekommen. Dreimal die Woche in die Dialyse und keine Perspektive. Das war eine sehr frustrierende Zeit.

Allerdings war dieses eine Vorstellungsgespräch ein wirklicher Glücksgriff. Ich bin sehr offen mit meinen Handycaps umgegangen, auch dass ich dreimal in der Woche früher gehen und zur Dialyse musste. Die Chefs haben mich daraufhin gefragt, ob ich drei Tage Probe-arbeiten könnte. Das sagte ich natürlich zu – und habe wohl überzeugt. Nach den drei Tagen dort hatte ich am Freitagmittag nochmal ein Gespräch mit dem Geschäftsführer, der daraufhin meinte: „Herr T., wir können uns das vorstellen und wenn Sie das möchten, stellen wir Sie direkt hier für die Ausbildung zum Automobilkaufmann ein.“

Ausbildung plus Dialyse haben mich sehr gefordert, sodass ich zwei Tage Vollzeit-Ausbildung gemacht habe und die anderen drei Tage bis ca. halb vier im Betrieb war und danach zur Dialyse ging. Jeder wusste, dass ich zur Dialyse muss, und es gab nie auch nur ein schlechtes Wort von der Geschäftsführung oder den Kolleg:innen. Ich hatte meine komplette Freiheit, weil sie wussten, dass ich meine Arbeit sehr gut mache. Ich muss mich jetzt ein bisschen selbst loben, ich habe die Ausbildung dann nach zwei Jahren mit Auszeichnung vor der IHK abgelegt – und auch die Berufsschule mit ‚sehr gut‘ abgeschlossen. Ich bin eben doch der Typ, der den stetigen Druck einer Schule braucht, daran hat sich nichts geändert. Meine guten Leistungen wurden auch vom Autohaus entsprechend honorierend anerkannt und ich wurde schrittweise in eine unbefristete Festanstellung übernommen.

Auch im Privatleben habe ich mich von der Dialyse nicht gängeln oder einschränken lassen. Ich habe mit meiner Freundin eine Kreuzfahrt auf der Donau gemacht – mit Dialyse auf dem Schiff. Wir sind eine Woche nach Dubai geflogen – mit Dialyse in Dubai. Das geht alles, man muss sich nur ein halbes Jahr, dreiviertel Jahr im Voraus darum kümmern. Ich bin auch sehr großer Formel-1-Fan und war mehrmals ein Wochenende mit meinem Bruder am Hockenheimring. Auch dort habe ich eine Dialyse vor Ort organisiert.

Ich habe mich nicht eingeigelt oder zu Hause in Selbstmitleid gebadet und mir nur gedacht: „Oh Gott, ich bin so krank.“ Dadurch erhalte ich mir auch noch viel Lebensenergie. Man muss seine Situation annehmen und eher denken: „Okay, ich bin Dialysepatient, aber ich muss jetzt deshalb nicht im Bett liegen und mich bemitleiden.“ Ich habe viel unternommen, mit den Einschränkungen, aber wie gesagt, man kann auf der ganzen Welt eine Dialyse machen.

Etwa zwei Jahre nach dem Start der zweiten Dialyseperiode wurde ich wieder auf die Transplantationsliste gesetzt. Mit einer seltenen Blutgruppe und Hepatitis-C-Infektion standen meine Chancen auf ein neues Organ aber sehr schlecht. Die Hepatitis-C-Erreger bin ich etwa vier Jahre später mit einer groß angelegten, medikamentösen Therapie losgeworden, das hat vieles vereinfacht. Grade wenn es um Arztbesuche ging, war man kein Infektionsrisiko für andere mehr. Leider wurde ich daraufhin für ein Jahr NT gemeldet – nicht transplantabel, was ich nicht wusste und deswegen mit dem Transplantationszentrum zu streiten begann. Nach einem für mich undurchsichtigen Schlüssel wurde ich aber wieder nach einiger Zeit als transplantabel gemeldet. So kam es, dass ich dann während einer Dialyse im Zentrum Besuch einer Ärztin bekam, die sagte: „Herr T., ich habe hier ein Telefon, gehen Sie da doch mal dran, die haben eine Niere für Sie.“ Das war sehr unspektakulär, aber so kam es dann zur zweiten Transplantation.

Ich bin nach diesem Anruf nach Hause gefahren und habe meine Tasche gepackt. Vom Auto aus rief ich meine Freundin an: „Pass mal auf! Ich habe die Chance, eine Niere zu kriegen, aber sei bitte nicht zu euphorisch, weil noch tausend Sachen passieren können.“ Auch meinen Bruder rief ich mit einer ähnlichen Nachricht an. Mit dem Taxi ging es dann zurück in die Klinik. Mittlerweile ist diese Art von Transplantation für die Ärzte dort Routine. Ich kam auf die Transplantationsstation, Blut wurde genommen, ich wurde zum Röntgen geschickt und nach einiger Zeit kam die Nachricht, dass die Niere im Haus ist. Die wurde auch nochmal vor der Operation untersucht und bald darauf kann ich mich nur noch an den Anästhesisten erinnern, der mich beim Einleiten der Narkose von 100 runterzählen ließ.

Auch bei der Re-Transplantation hat die neue Niere sofort gearbeitet. Schritt für Schritt wurden die Werte besser, sowohl die Kreatinin- als auch die Kalium-Spiegel. Die ersten Tage noch mit Infusionsunterstützung, um die benötigte Flüssigkeitsmenge zu kriegen. Dann durfte ich wieder mehr trinken, alles essen und es war wie beim ersten Mal eine Umstellung von nichts auf alles.

Die Medizin hat in der Zeit zwischen Transplantation eins und zwei große Sprünge gemacht. Trotz vieler Vorsichtsmaßnahmen gibt es für Transplantierte keine abgeschottete Station mit Schleuse mehr. Die Frischtransplantierten sind in einem Einzelzimmer für vielleicht drei Tage, aber können Besuch bekommen. Das ist ein riesiger Unterschied zum ersten Mal. Man hat wohl festgestellt, dass diese Abschottung nicht wirklich gut für die Transplantierten ist. Neben Freunden und Familie, sind auch meine Kollegen vom Autohaus oft zu Besuch gewesen.

Leider gab es nach dieser Transplantation einige Komplikationen. Ich hatte zwei Mal einen Darmdurchbruch oder Darmverschluss, sodass ich die Woche nach der Transplantation wieder im OP lag. Die eine Darmschlinge wahr wohl aus der „Verankerung“ rausgerutscht, was die Chirurg:innen mit einem Netz verschlossen. Eine weitere Woche später kam allerdings dasselbe Problem wieder, aber dann war es schon eine Not-OP. Die Info der Ärzt:innen war damals: „Das Netz hat irgendwie nicht gehalten, die Darmschlinge ist wieder rausgerutscht.“ Aber auch diesmal war zum Glück nichts abgestorben. Eigentlich waren 10–12 Tage Krankenhaus nach der Transplantation geplant, aber es wurden eher vier Wochen. Aber ich muss sagen, trotz der Komplikationen hat alles gut geklappt, mir geht es gut. Es hat die Sache im Krankenhaus nur eben ein bisschen verzögert.

Mein zweites neues Leben genieße ich im Rahmen der Möglichkeiten, wenn ich aber essen würde, worauf ich Appetit habe, würde ich einfach nur zunehmen. Gerade mit Süßigkeiten muss ich mich beherrschen. Ich reise weiterhin viel und bin ein paar Wochen nach der Transplantation wieder arbeiten gegangen. Dort verfolge ich auch weiterhin neue berufliche Ziele – mehr Verkauf, mehr in Richtung Kunde. Um das zu erreichen, habe ich vor eineinhalb Jahren auch den Arbeitgeber gewechselt.

Mit meiner Transplantation gehe ich sehr offen um, allerdings sind Verbände oder Selbsthilfegruppen nichts für mich. Ich sehe mich selbst als sehr, sehr gut aufgeklärten Patienten, daher stehe ich auch für Interviews gerne zur Verfügung. Aus der Sicht mancher Ärzt:innen bin ich vielleicht sogar ZU gut aufgeklärt, nachdem ich bei verschiedenen Geräten, Diagnosen oder Laborwerten sinnvolle Hinweise geben und unangenehme Fragen stellen kann. Wenn ein Laie einem Arzt in irgendetwas reinredet, will der das oft nicht hören, aber ich kenne diese Krankheit eben schon seit 35 Jahren.

Ich möchte gerne aufklären und zu glaubwürdigen Informationen im Internet beitragen. Informationen aus verschiedenen Quellen sind das ein und alles. Je besser man als Patient:in informiert ist, desto besser kann man mit der Krankheit umgehen. Ich war auch nicht immer der disziplinierteste Patient, aber ich habe gewusst, wenn ich jetzt drei Bananen esse, kann das schon mein Tod sein. Wenn man um solche Dinge weiß und die Prozesse versteht, kann man zum Beispiel die Sachen, die man eigentlich nicht essen sollte, während der „Dialyse“ essen. Wenn die zweite Niere nun auch 22 Jahre hält, wäre ich damit sehr zufrieden. Dafür werde ich noch viel tun müssen.“