Im ersten Jahr (vor allem in den ersten 6 Monaten) nach der Transplantation sind viele Transplantierte durch Nebenwirkungen oder Komplikationen der Behandlung beeinträchtigt. Wenn diese „kritische Phase" überstanden ist, kann man sich nach und nach wieder ein nahezu normales Alltagsleben aufbauen und die schönen Dinge des Lebens genießen. Man sollte jedoch nicht davon ausgehen, dass man völlig gesund ist und „vor Kraft strotzt". Die Konditionierungstherapie, die früheren Vorbehandlungen und die Erkrankung selbst sind für den Körper eine Belastung, von der er sich langsam erholen muss. Manche Veränderungen im Körper sind dauerhaft. Es gibt daher auch langfristig einige Dinge zu beachten.
In der KMT-Ambulanz wird man in der Regel nur noch monatlich und später jährlich untersucht, solange der Gesundheitszustand stabil ist.
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Durchschnittliche Überlebensrate in den ersten 7 Jahren nach allogener PBSZT (alle Erkrankungen und Konditionierungstherapien zusammengefasst) in einer Klinik in Seattle
Lebenserwartung
Immer mehr Patienten überleben immer länger nach einer allogenen Blutstammzelltransplantation. Dies liegt vor allem daran, dass die Transplantation in den letzten Jahrzehnten immer sicherer geworden ist. Die so genannte Transplantationsassoziierte Mortalität (Sterblichkeit) ist kontinuierlich gesunken. Mögliche durch die Transplantation bedingte Todesursachen sind vor allem die GvHD, Infektionen und Organschäden.
Die häufigste einzelne Todesursache ist allerdings die Grunderkrankung selbst (Rückfall oder Progression der Krebserkrankung).
Sowohl das Risiko des Rückfalls als auch das Risiko an einer Komplikation zu versterben ist im ersten Jahr nach der Transplantation am höchsten und nimmt dann in der Regel kontinuierlich ab (s. Abbildung 2).
Man kann daher leider nicht pauschal sagen, dass Transplantierte durch die allogene Blutstammzelltransplantation eine bestimmte Anzahl an Lebensjahren gewinnen. Die Prognose ist individuell sehr unterschiedlich und hängt z. B. ab von:
- der Art der Erkrankung,
- dem Stadium der Erkrankung,
- dem Alter und dem körperlichen Zustand des Patienten sowie
- dem Grad der Übereinstimmung der HLA-Merkmale von Spender und Patient
Kinderwunsch
Bei den meisten Erwachsenen, die über 25 Jahre alt sind, führt die „volle" Konditionierungstherapie zu einer dauerhaften Unfruchtbarkeit (Sterilität). Für Frauen bedeutet dies, dass sie vorzeitig in die Wechseljahre kommen. Von den Frauen, die bei der Transplantation jünger als 25 Jahre alt waren, können allerdings 10 bis 20 % nach 5 bis 10 Jahren wieder schwanger werden.
Die Auswirkungen einer dosisreduzierten Konditionierungstherapie auf die Fruchtbarkeit sind noch nicht ausreichend erforscht. Sie hängen davon ab, welche Medikamente zum Einsatz kommen und wie hoch die Strahlendosis ist.
Unabhängig von der Art der Konditionierung gilt: Da man nicht in jedem Fall von einer 100-%-igen Sterilität ausgehen kann, ist eine Empfängnisverhütung sinnvoll.
Falls es zu einer Schwangerschaft kommt, besteht ein erhöhtes Risiko für eine Fehlgeburt. Das Missbildungsrisiko ist für ausgetragene Kinder nicht erhöht.
Reisen
Solange man noch Immunsuppressiva einnehmen muss und die üblichen Impfungen noch nicht wieder aufgefrischt sind, sollte man nur in Gegenden mit hohem hygienischen Standard reisen. Wenn der Gesundheitszustand (noch) nicht stabil ist, empfiehlt es sich außerdem, sich nicht zu weit vom Transplantationszentrum zu entfernen. Am besten ist es, Reisepläne immer mit dem Transplantationszentrum bzw. der KMT-Ambulanz abzusprechen.
Gesundheitliche Risiken vermindern
Die Konditionierungstherapie und einige Immunsuppressiva erhöhen das Risiko, bestimmte Krebserkrankungen zu entwickeln. Durch eine gesunde Lebensweise kann man selbst dazu beitragen, das Krebsrisiko nicht zusätzlich zu erhöhen. Beispielsweise sollte man
- auf das Rauchen ganz verzichten.
- auf einen ausreichenden Sonnenschutz achten.
Neue Blutgruppe
Falls der Spender der Blutstammzellen eine andere Blutgruppe hat als der Empfänger, bekommt der Empfänger nach der Transplantation die Blutgruppe des Spenders. Manchmal hat man übergangsweise zwei Blutgruppen gleichzeitig, solange noch „alte" eigene Stammzellen im Knochenmark verbleiben und Blutzellen bilden. Man kann vom Transplantationszentrum einen neuen Blutgruppenausweis erhalten.
Mögliche langfristige Komplikationen nach der allogenen Blutstammzelltransplantation (PBSZT)
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Zu den häufigeren möglichen langfristigen Komplikationen nach einer allogenen Blutstammzelltransplantation gehören:
- Chronische GvHD
- Osteoporose und aseptische Knochennekrose bei Dauerbehandlung mit Kortison
- Rezidiv (Rückfall, Wiederkehren) der ursprünglichen Erkrankung
- Chronische Infektneigung
- Zweittumoren
- Grauer Star (Trübung der Augenlinse, Katarakt) nach Strahlentherapie
- Unterfunktion der Schilddrüse nach Strahlentherapie
Die chronische Form der GvHD tritt bei bis zu 50 % der Transplantierten auf, allerdings handelt es sich häufiger um leichte Formen. Sie muss oft 2 Jahre oder länger mit Kortikosteroiden (Kortison) behandelt werden. Diese Medikamente können wiederum zu Nebenwirkungen führen. Beispielsweise kann die Knochendichte abnehmen (Osteoporose), so dass man anfälliger für Knochenbrüche wird. Bei 5 bis 10 % der mit Kortison behandelten Patienten kommt es zu einer aseptischen Knochennekrose, d. h. Knochengewebe stirbt ab. Die Nekrose betrifft meist das Hüft- oder Kniegelenk. Das tote Gewebe wird in einer Operation entfernt und in der Regel durch ein künstliches Gelenk ersetzt.
Das Risiko für ein Rezidiv (Rückfall) der ursprünglichen Erkrankung ist individuell sehr unterschiedlich. Es hängt von der Art der Erkrankung ab und davon, wie weit die Erkrankung vor der Transplantation fortgeschritten war (Stadium). So kommt es z. B. bei der aplastischen Anämie fast nie zu einem Rezidiv. Diejenigen Leukämien und Lymphome, gegen die frühere Behandlungen wirkungslos waren, kehren jedoch bei bis zu über 50 % der Transplantierten nach der Transplantation zurück. Oft werden dann Spenderlymphozyten verabreicht, welche die Krebszellen angreifen (Graft-versus-Leukemia-Effekt). In manchen Fällen ist eine zweite Blutstammzelltransplantation sinnvoll.
Das Risiko, an Infektionen zu erkranken, kann über längere Zeit erhöht bleiben.
Wegen der intensiven Behandlung mit Strahlen- und/oder Chemotherapie ist das Risiko erhöht, eine zweite Krebserkrankung zu entwickeln. Nach 10 bis 20 Jahren erkranken etwa 2 bis 3 % der Transplantierten an einem Tumor, der meist an der Haut oder den Schleimhäuten auftritt. Rechtzeitig erkannt, lassen sich diese Tumoren oft heilen. Daher sind die regelmäßigen Kontrolluntersuchungen lebenslang wichtig. Seltener treten Tumore im Gehirn, der Schilddrüse oder im Knochen auf.
Einen grauen Star (Trübung der Augenlinse) entwickeln ca. 20 bis 25 % der Patienten 5 bis 10 Jahre nach einer Ganzkörperbestrahlung. Er kann durch eine ambulante Operation behoben werden.
Eine weitere mögliche Komplikation nach Ganzkörperbestrahlung ist eine Unterfunktion der Schilddrüse. Sie tritt bei 10 bis 15 % der Patienten auf und kann durch Medikamente (Schilddrüsenhormone) ausgeglichen werden.
Quellen
Copelan EA: Hematopoietic stem-cell transplantation. N Engl J Med 2006; 354: 1813—26.
Informationen für Patienten mit Blutstammzelltransplantation und Knochenmarktransplantation. Universitätsklinikum Ulm, Stand 09/2023. https://www.uniklinik-ulm.de/fileadmin/default/Kliniken/Innere_Medizin_3/Broschueren/cEBKT_web_20230914.pdf (zuletzt besucht am 18.10.2024).
Gooley TA, Chien JW, Pergam SA et al.: Reduced mortality after allogeneic hematopoietic-cell transplantation. N Engl J Med 2010; 363: 2091—101.